Die zwei Antworten, die ich am häufigsten gebe:
Nein, ich lese nicht vor.
Ja, ich kann davon leben.
Fragen
Woher kommt der Name „Frau Wolle“?
Weil ich gerne am Spinnrad sitze, liebe ich auch die vielen Verbindungen, die es in unserer Sprache zwischen Wolle und dem Erzählen gibt:
der rote Faden einer Geschichte, den Faden nicht verlieren, Geschichten spinnen, sich einspinnen, sich ausspinnen (im Dialekt), Entwicklung und Abwicklung eines Knäuels, Text und Textiles und vor allem das oft gehörte „Du spinnst!“ für fantasievolle Menschen.
Die Assoziation zu Frau Holle ist Absicht. Diese sehr bekannte Märchenfigur ist eine Erscheinungsform der großen, alten Unterweltgöttin Hel/Hella.
Was ist ein Wollkreis?
Wer einmal dabei war, wird sich daran erinnern: Mein Beginnritual beim Erzählen besteht darin, einen roten Wollfaden auf den Boden um das Publikum zu legen. In diesem Zuhörkreis wird aus einer zufälligen Gruppe eine Gemeinschaft.
Nach dem Erzählen wickle ich das Knäuel wieder auf.
Warum Märchen für Erwachsene?
Dass ich mich auf Erwachsene spezialisiert habe, beeinflusst die Auswahl meiner Geschichten und meinen Stil.
Ich bin überzeugt davon, dass sich Menschen ein ganzes Leben lang entwickeln und dass Märchen bei dieser Entwicklung hilfreich sind.
Für mich ist die Fantasie wie ein Körperteil, der sich nach Bewegung sehnt. Wer Märchen hört, kann die eigene Vorstellungskraft stärken, kann die Fantasie tanzen und fliegen lassen.
Die starke, mächtige und reiche Symbolsprache alter Geschichten spricht zu einem Teil von uns, der bei Erwachsenen allzu oft vernachlässigt wird. Das Hören von Märchen stillt gerade bei Erwachsenen einen großen Hunger und ist meiner Meinung nach zutiefst notwendig.
Sind die Bücher und Adventkalender auch für Kinder geeignet?
Teilweise ja. In den Kurzbeschreibungen zu meinen Büchern habe ich jeweils erwähnt, wie viele Märchen ich für Kinder ab sieben Jahren für geeignet halte.
Die Adventkalender empfehle ich erst ab 13 Jahren.
Weshalb Vögel als Symbol?
Wie kann ich etwas Unsichtbares wie das Erzählen und Hören von Märchen durch ein Symbol darstellen?
„Der Seelenvogel“ ist ein Bild, das mich berührt, deshalb habe ich die von Almuth Mota gemalten Vögel aus „Königin Herzenslust“ als Bilder auf meiner Website gewählt. Wie die Vögel fliegen auch meine Worte zu den Zuhörer*innen und die Weite des Himmels kann sich dabei öffnen.
In vielen der Märchen, die ich erzähle, kommen Vögel vor – sprechende Raben, verzauberte Schwäne, ein mächtiger Bulbul, eine singende Amsel, ein listiger Distelfink.
Seit ich mit dem Biologen und Vogelkundler Manfred Föger Spaziergänge anbiete, bei denen wir Biologie und Märchen verknüpfen, sind es noch mehr geworden.
Welche Vögel sehe ich hier und warum gerade diese?
Von links oben nach rechts unten auf der Startseite:
Die Küstenseeschwalbe bei „Jetzt“. Sie fliegt am weitesten – jedes Jahr von der Arktis bis zur Antarktis und dann noch einmal um die Antarktis herum.
Der Kranich mit Krone bei „Angebot“. Wer Märchen hört, kann sich wie eine Königin oder ein König fühlen.
Die Goldamsel beim „Webshop“, weil ich auf diese Weise meine goldenen Märchenschätze teile.
Der Eisvogel beim „Kalender“, weil er so bunt ist wie meine verschiedenen Auftrittsorte und ‑anlässe.
Das Wintergoldhähnchen bei „Über mich“, weil es der kleinste Vogel ist und Spinnwebfäden in sein Nest einbaut.
Der Buchfink bei „Bücher“ – ganz einfach, weil er „Buch-Fink“ heißt.
Wie wird man Märchenerzählerin?
Durch Wissenschaft & den Zufall
Ich habe am Ende meines Studiums (vergleichende Literaturwissenschaft) meine Abschlussarbeit über Märchen geschrieben. Bei einem Vortrag über Märchen wollte ich eines vorlesen. Allerdings habe ich das Buch daheim vergessen und musste stattdessen frei erzählen, damit der Vortrag noch verständlich war. Die Theorie fanden die Zuhörer*innen interessant, das Märchen aber hat sie begeistert.
Durch Vorbilder & Meister*innen
Bei einem Auslandssemester in Ghana habe ich eines Abends in der Bibliothek meines Professors, Dr. Kwadwo Opoku Agyemang, gewartet, um meine Studien mit ihm zu besprechen. Dabei konnte ich hören und sehen, wie er seine Kinder mit einer höchst lebendig erzählten Geschichte ins Bett brachte. Das hat mich sehr inspiriert!
Ich habe das Erzählen auch in einigen Kursen bei verschiedenen Erzähler*innen gelernt, vor allem aber durchs Zuhören und durchs Tun.
Ich lerne bis heute immer noch dazu, besuche Kurse und bin oft als Zuhör-Reisende unterwegs.
Durch Wünsche & Wirklichkeit
Meine drei Wünsche an meinen Beruf waren (und sind):
etwas zu tun, was mir und anderen Freude macht,
eine interessante und abwechslungsreiche Arbeit und
etwas Sinnvolles in die Welt zu tragen.
Die häufigsten Irrtümer
Frau Wolle liest nicht – sie erzählt:
… Das freie, lebendige Erzählen unterscheidet sich wesentlich vom Vorlesen aus einem Buch. Weil wir aber den Begriff „Lesung“ gewohnt sind, wird es manchmal verwechselt. Zu sagen, ich würde lesen, ist ungefähr so, als würde man einer Geigerin sagen, sie sei ein DJ.
Frau Wolle erfindet nicht – sie findet:
… Ich erzähle keine selbergeschriebenen Märchen, sondern wähle mit Sorgfalt alte Volksmärchen. Dabei werde ich zur schatzsuchenden Wissenschaftlerin, suche oft lange mehrere Quellen und forsche gründlich.
Frau Wolle lernt nicht auswendig – sie erzählt frei:
… Mit den überlieferten Stoffen gehe ich sehr frei um, kleide die alten Geschichten in meine eigenen Worte.
Ich lerne nichts auswendig, sondern erzähle „inwendig“, das heißt frei, immer frisch und jedes Mal ein wenig anders.
Märchen lügen nie – sie sprechen in Bildern:
… Märchen sind keine Lügen. Dass Märchen und Mythen in unserer Alltagssprache mit Lügen gleichgesetzt werden, schmerzt mich. Denn Märchen bilden in starken Symbolen komplexe Dinge mit einer Genauigkeit ab, die der rationalen Sprache oft überlegen ist. Auf diese Weise sind sie wahrer als die sogenannte „Wahrheit“.